1944 bis 1948 in Jugoslawien: Die "ethnische Säuberung"
Jugoslawiens von seiner deutschen Volksgruppe war spätestens seit der
Konferenz des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung
Jugoslawiens (AVNOJ) von Jajce (Bosnien, November 1943) beschlossene
Sache. Der AVNOJ fungierte als eine Art provisorische Volksvertretung
der kommunistischen Partisanenbewegung, die unter der Führung
von Josip Broz, genannt Tito, dem langjährigen Nachkriegsstaatschef
Jugoslawiens, stand. Den formellen Beschluss zur entschädigungslosen
Enteignung (Beraubung) aller in Jugoslawien lebenden Bürger
deutscher Volkszugehörigkeit erließ der AVNOJ am 21. November 1944
in Belgrad. Er erklärte diese Bürger Jugoslawiens in einem außergerichtlichen
Verfahren (so die juristische Sprachregelung) kollektiv zu Volksfeinden,
die zwar nicht ihre Staatsbürgerschaft, aber alle staatsbürgerlichen
Rechte verloren. Es lag in der Logik dieser Enteignung und
Entrechtung, dass sie die Errichtung von Internierungslagern für
die Bürger deutscher Muttersprache erfordern würde, allerdings
handelte es sich nicht um menschenwürdige Unterkünfte, sondern um
Vernichtungsanstalten. Ab Oktober 1944
setzte die Ermordung und Internierung der Donauschwaben ein. Bis
August 1945 waren alle Orte von ihren deutschen Bewohnern "gesäubert".
Nur jene blieben von Internierung und Vermögensverlust verschont, die
in Ehen mit Andersnationalen lebten oder zu den wenigen gehörten, die
auf Seiten der freischärlerischen Partisanen gestanden hatten. Es gab
drei Arten von Lagern: -
Arbeitslager: Sie wurden in über 100 Orten mit
deutschen Einwohnern eingerichtet, um die
anfallenden landwirtschaftlichen und industriellen Arbeiten
ausführen zu lassen. -
Zentrale Zivillager: Sie waren als Bezirkslager
eingerichtet. Von diesen beschickte man die
lokalen Arbeitslager mit Arbeitskräften. Ihre Zahl belief sich
in der Wojwodina auf etwa 22. -
Vernichtungslager: In diesen Lagern wurden die Alten,
Kranken, Kinder und Mütter mit Kleinkindern
konzentriert. Diese Menschen waren dem Verhungern preisgegeben. Erschießungsaktionen:
Nach
Beginn der Besetzung im Oktober 1944 im Banat bis zum Kriegsende
vollzogen lokale kommunistische Instanzen, die Staatspolizei (OZNA)
und eigene Partisanen-Kommandos
("Aktion Intelligenzija") Erschießungen bzw. grausame Tötungen
deutscher Bürger, in der Regel im Alter von 16 bis 60 Jahren. Diese
Aktion forderte zwischen Oktober 1944 und Juni 1945 rund 7000
Todesopfer an donauschwäbischen Zivilpersonen. Deportation in die Sowjetunion:
Bevor
die Einweisung in die Lager endgültig vollzogen war, wurden
entsprechend einer Forderung Stalins von den Partisanen zu Weihnachten
1944 8000 donauschwäbische Frauen und 4000 Männer aus dem Banat und
der Batschka in die Sowjetunion (die meisten in das Donezbecken)
deportiert, wo sie hauptsächlich in den Kohlengruben sehr hart arbeiten
mussten. Bis 1949 starben von ihnen mindestens 2000 an Unterernährung
und Krankheiten unter kaum zu beschreibenden erbärmlichen Umständen. Ermordung von Kriegsgefangenen:
Unmittelbar nach Kriegsende setzten die Racheaktionen der
kommunistischen Partisanen Titos an den kroatischen, slowenischen und
deutschen Kriegsgefangenen ein, vor allem im Raume Sloweniens, wo sie
in Gefangenschaft geraten waren. Neutrale ausländische Historiker schätzen
die Zahl der Ermordeten auf mindestens 100 000. Im Zuge dieser blindwütigen
Rache und in weiterer Folge wurden annähernd 5000 donauschwäbische
Kriegsgefangene ermordet. Über 2000 Mann der Division Prinz
Eugen wurden als wehrlose Kriegsgefangene nach der allgemeinen
Kapitulation bei Rann (slow.: Brezice) erschossen - im Widerspruch zu
den internationalen Konventionen, die Erschießungen von
Kriegsgefangenen verbieten. Die Vernichtungslager:
Aus
der Vorgangsweise der Lagerführungen und dem Verhalten der Wachen war
ersichtlich, dass sie als Vernichtungslager konzipiert waren. Sie hießen
denn auch bald unter den Insassen nur noch Todeslager, Hungerlager
oder eben Vernichtungslager. Für die Donauschwaben wurden acht
solcher Todesstätten eingerichtet. Sechs befanden sich in der
Wojwodina und zwei in Slawonien (gehört heute zu Kroatien). Im Banat
waren es Rudolfsgnad (Knicanin) und Molidorf (Molin), in der Batschka
Jarek (Backi Jarak), Gakowa (Gakovo) und Kruschiwl (Krusevlje), in
Syrmien die Seidenfabrik (svilara) in Syrmisch-Mitrowitz (Sremska
Mitrovica) und in Slawonien Kerndia (Krndija) und Valpovo. Umnationalisierung der überlebenden
Kinder: Ab 1946 begann die Verschleppung von Tausenden von
Kindern in über 100, zum Teil weit entlegene staatliche jugoslawische
Kinderheime, zur Umerziehung und Slawisierung. Dort verbrachten sie
bis zu über 10 Jahre, bevor sie von den Angehörigen und vor allem
durch intensives Bemühen des Roten Kreuzes ausfindig gemacht und zurückgeführt
werden konnten. Mit Sicherheit konnten zumindest einige Hundert von
ihnen nicht mehr gefunden werden. Sie leben heute als Slawen. Wie
viele von ihnen ihre wahre Herkunft kennen, kann kaum geschätzt
werden.
Bereits im blutigen
Herbst 1944, als die Greueltaten der Partisanen und ihrer Helfer
einsetzten, begannen die Fluchtversuche in die angrenzenden Nachbarländer
Rumänien und Ungarn. Mit der anschließenden Enteignung, Austreibung
aus ihren Häusern und der Internierung, war auch dem Letzten der
Gutgläubigen klar, dass es nur noch darum ging, das nackte Leben zu
retten. Trotz verstärkter Grenzen- und Lagerbewachungen gab es immer
mehr Fluchtversuche. Für die meisten, die bei Razzien im Lande oder
an der Grenze erwischt wurden, bedeutete es den Tod. Hauptfluchtjahr
war 1947. Von 1944 bis zur
Auflösung der Lager 1948 dürften es etwa 30 000 bis 35 000 gewesen
sein, die ihr Leben durch eine Flucht über die Landesgrenzen gerettet
haben.
Die beiden
Vernichtungslager Kerndia und Valpovo im heutigen Kroatien wurden etwa
ein Jahr nach Kriegsende aufgelöst, die überlebenden Insassen wurden
in die Vernichtungslager der Wojwodina abgeschoben. Auch Jarek in der
Wojwodina wurde ein Jahr nach Kriegsende geschlossen, die noch
Lebenden wurden samt ihrer Wachmannschaft nach Kruschiwl transferiert.
Syrmisch-Mitrowitz und Molidorf wurden zwei Jahre nach Kriegsende
aufgelöst, die Insassen Molidorfs wurden nach Rudolfsgnad
eingewiesen. Kruschiwl im Dezember 1947 und Gakowa im Januar 1948,
wurden nacheinander geschlossen und die Überlebenden nach Rudolfsgnad
verbracht. Das größte Vernichtungslager Rudolfsgnad und alle noch
bestehenden Zentralen Zivillager mit den dazu gehörenden Arbeitslager
wurden offiziell am 1. März 1948, also erst knapp drei Jahre nach
Kriegsende, aufgelöst.
Von den rund 195
000 in ihrer Heimat verbliebenen donauschwäbischen Zivilpersonen
waren vor der Internierung über 7000 ermordet und 12 000 in die UdSSR
deportiert worden. Rund 167 000 wurden in Jugoslawien interniert. Von
ihnen gingen von November 1944 bis März 1948 48 500 durch
Misshandlungen und Hunger sowie an Typhus und Ruhr zugrunde,
unter ihnen über 6000 Kinder und zusammen mindestens 37 Geistliche
beider Konfessionen.
Gesamtverluste an Zivilpersonen:
Zählt man den 48 500 Lageropfern die zwischen Juli 1941 und Oktober
1944 durch Partisanen ermordeten über 1000 Zivilisten, ferner die
durch Erschießungsaktionen zwischen Oktober
1944 und Juni 1945 ermordeten weiteren 7000 Zivilisten, sowie die 2000
Opfer der Deportation in die UdSSR hinzu, so kommt man auf eine
Verlustzahl von 58 500 donauschwäbischen
Zivilpersonen (Mindestzahl). Fast jeder/jede
dritte der in seiner/ihrer Heimat verbliebenen Donauschwaben verlor
demnach zwischen 1944 und 1948 sein/ihr Leben. Die an den Deutschen in
Jugoslawien verübten schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit
ergeben im Sinne der UNO-Konvention vom 9. Dezember 1948 den
objektiven und subjektiven Tatbestand des Völkermordes. Gesamtverluste inklusive Soldaten: Zu den 58 500 Ziviltoten kommen
26 000 tote Soldaten. Insgesamt beklagen die
Donauschwaben des ehemaligen Jugoslawien damit 85 000
Tote. Diese Zahlen sind als Untergrenzen anzusehen. 61 700,
also 70 Prozent der Opfer, sind im Band IV der Dokumentationsreihe Leidensweg
der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien
mit Namen und Daten dokumentiert.
Nach der Auflösung
der Lager 1948 mussten sich die Überlebenden für drei Jahre zu einem
sogenannten "vertraglichen Arbeitsverhältnis", vornehmlich
außerhalb ihrer ursprünglichen Wohngebiete, verpflichten. Zur
gleichen Zeit, im Oktober 1948, erklärte der spätere Verfasser der
Tito-Biographie Vladimir Dedijer scheinheilig vor der UNO, dass eine
Diskriminierung der Menschen wegen ihrer Rasse, Sprache, ihrer
politischen oder anderen Überzeugungen in der Volksrepublik
Jugoslawien völlig ausgeschlossen sei...! Ausbürgerungen
wegen Familienzusammenführungen waren erst ab 1950 nach ausländischen
Interventionen, aber auch dann nur durch Loskauf von der Staatsbürgerschaft,
möglich. Bis zum Jahre 1960 haben rund 62 000 die Möglichkeit, auf
diese Weise das Land zu verlassen, genützt. Bis 1985 stieg ihre Zahl
auf 87 600. Diese Zahl
beinhaltet auch ab 1948 angeheiratete andersnationale Ehepartner und
geborene Kinder, die 1944 noch nicht in der Statistik erfasst sein
konnten. Andererseits waren bis 1985 etwa ein Drittel von den in
Jugoslawien verbliebenen Deutschen verstorben.
Somit war die
ethnische Auslöschung der Deutschen, die seit 200 Jahren, in diesen,
nur in den letzten 25 Jahren zu Jugoslawien gehörenden Gebieten, ein
angestammtes Heimatrecht hatten, vollbracht. Heute im Jahre
2004, sind von den im ehemaligen Jugoslawien verbliebenen rund 10 000
Donauschwaben noch etwa 3500 am Leben. Sie verteilen sich auf jeweils
rund die Hälfte auf Serbien (Rest-Jugoslawien) und das seit 1991
selbständige Kroatien. Die noch etwa 1800
im heutigen Jugoslawien lebenden, gebürtigen Donauschwaben sind in
erster Linie in Mischehen mit Andersnationalen verbunden. Es gibt wohl
kaum noch eine Familie, in der deutsch gesprochen wird. Bei der Volkszählung
im Jahre 2002 bekannten sich 3901 Personen zur deutschen Volkszugehörigkeit. |